Schweizer Islam-Organisationen sollen ihre Mitglieder ermutigen, sich für staatliche Stellen zu bewerben.
Bezahlte Überstunden, ein üppiges Gehalt und zahlreiche Zuschläge: Der Bund ist ein begehrter Arbeitgeber. Davon sollen nun auch Muslime in der Schweiz profitieren. Islam-Organisationen ermuntern derzeit ihre Mitglieder, sich für eine Stelle bei der Eidgenossenschaft zu bewerben.
Grund für das plötzliche Interesse am Beamtendasein: Der Bund selbst will als Arbeitgeber die religiöse Vielfalt berücksichtigen. Das hält er im Abschlussbericht zum Muslim-Dialog fest. Die Gespräche wurden 2009 und 2010 unter Federführung des Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartements (EJPD) und seiner damaligen Vorsteherin Eveline Widmer-Schlumpf geführt. Im Dezember wurde das Papier vom Bundesrat zur Kenntnis genommen.
Unter dem Titel «Aktionsfeld 4» wird darin festgehalten, wie wichtig die Teilnahme von Migranten am Wirtschaftsleben sei. «Arbeitgeber, welche Chancen geben, dass sich Potenziale entfalten können, profitieren davon», steht da. Und: «Auch der Staat als Arbeitgeber soll die Vielfalt berücksichtigen können.» Als Massnahme vonseiten der Islam-Vertreter wird festgehalten: «Muslimische Organisationen ermutigen ihre weiblichen und männlichen Mitglieder (. . .) zur Bewerbung für staatliche Stellen.»
Bereits jetzt bietet die Bundesverwaltung ihren Angestellten Kurse an, in denen die Vorteile von interkulturellen Teams angepriesen werden. «Es geht darum, Führungskräften zu zeigen, wie sie ihre Teams optimal zusammenstellen können, um die Vielfalt als Chance für eine noch bessere Arbeitsleistung zu nutzen», sagt Anand Jagtap vom Eidgenössischen Personalamt. In den Kursen würden auch Fragen der Chancengleichheit und Nicht-Diskriminierung angesprochen.
Muslim-Vertreter sind begeistert vom Vorstoss des Bundes: «Das Vorhaben ist ein ausserordentlich wichtiger Schritt», sagt Hisham Maizar, Präsident der Föderation islamischer Dachorganisationen Schweiz (FIDS). «Dadurch erhalten Muslime erstmalig eine Chance, in der Bundesverwaltung tätig zu werden.» Nach Angaben von Maizar sind viele Muslime der Meinung, es sei unmöglich für sie, im Bereich der Verwaltung eine Stelle zu finden. Maizar: «Ihnen sagen wir nun: Die Möglichkeit ist da, traut euch, bringt euch ein und beweist euch als gut brauchbare Mitarbeiter im Lande.»
Farhad Afshar, Präsident der Koordination Islamischer Organisationen Schweiz (KIOS), geht noch einen Schritt weiter: Er fordert, dass der Bund mehr Frauen mit Kopftuch anstellen soll. «Damit könnte der Bund zeigen, dass er seine Vorbildfunktion wahrnimmt und dass es hier in der Schweiz auch für Frauen mit Kopftuch möglich ist, beim Bund in gehobeneren Stellen tätig zu sein», so Afshar. Er hofft, dass dem Bund grosse Firmen folgen werden. Afshar: «Wir sehen heute in der Öffentlichkeit kaum Muslime, die qualifiziert sind und die gleichzeitig ihren Glauben offen leben. Das kann der Bund nun ändern.»
Doch der ist bei der Kopftuchfrage zurückhaltend: «Wir respektieren die Religionsfreiheit der Bundesangestellten», sagt Anand Jagtp. «Es gibt aber Aufgaben und Funktionen, zu deren Erfüllung Einschränkungen des Tragens von religiösen Zugehörigkeitszeichen angezeigt sind.»
SVP-Nationalrat Hans Fehr ist gar für ein Kopftuchverbot für Muslime im Bundesdienst: «Wenn es qualifizierte Muslime gibt, kann der Bund sie anstellen», so Fehr. «Aber sie müssen sich anpassen und dürfen auf keinen Fall mit Kopftuch zur Arbeit erscheinen.»(Quelle:sonntagonline.ch)